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  Reif für 3D? Die drei Dimensionen der Diabetes Versorgung
Am 14. November findet alljährlich der Welt Diabetes Tag statt. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) weist aus diesem Anlass auf die momentane Situation und neue Lösungswege hin.
(Wien, 10. Oktober 2016) – Experten sprechen bei Diabetes mittlerweile von einem Tsunami, der uns überrollt. Die Diabetes-Versorgung muss in Österreich neu geplant werden, um den Anforderungen der Zeit zu entsprechen. Dies erfordert ein neues Denken in mehreren Dimensionen – auch weit über das Gesundheitssystem hinaus – und ein rasches Handeln auf mehreren Ebenen.
Der  Diabetes Tsunami hat uns erreicht!
    Diabetes ist eines der bedeutendsten Gesundheitsprobleme   unseres  Jahrhunderts. OA Dr. Helmut Brath von der Diabetesambulanz des   GZ Süd der  Wiener Gebietskrankenkasse und Erster Sekretär der ÖDG   stellt die aktuelle  Situation eindringlich dar: „Der Diabetes-Tsunami,   vor dem Diabetologen gewarnt  haben, hat uns bereits erreicht. Wir   sprechen aktuell von jedem zehnten  Menschen in Österreich. Die    medizinische Forschung hat große Verbesserungen für die Betroffenen   gebracht.  Wir können Menschen mit Diabetes heute ein längeres Leben mit   weniger  Folgeerkrankungen und besserer Lebensqualität bieten als je   zuvor.  Gleichzeitig wird aber der Druck durch Neuerkrankungen und durch   die vielen  Menschen, die gefährdet sind, immer größer und Diabetes zu   einer  Herausforderung für die gesamte Gesellschaft.“
  „Diabetestherapie und -prävention ist komplex und   gesamtgesellschaftlich  relevant geworden. Neben den medizinischen   Berufen brauchen wir Finanz-, Stadt-  und Landesräte, Städteplaner usw.,   um „Health in all Policies“ verwirklichen zu  können. Dazu müssen alle   Ärztinnen und Ärzte sowie die übrigen  Gesundheitsberufe ihren Beitrag   als Multiplikatoren leisten. Die Vision ist,  neben einer weiteren   Optimierung der Therapie, eine mittelfristige Reduktion  der   Diabetesinzidenz und langfristig ein Sinken der Prävalenz zu erreichen“,    erklärt der Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft,   Univ.-Prof.  Dr. Hermann Toplak, von der Ambulanz für Lipidstoffwechsel   der  Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität   Graz. 
Der  Kampf gegen Diabetes erfordert mehrdimensionales Denken
    Drei Dimensionen sind zu beachten, wenn es darum geht, dem  Diabetes-Tsunami zu begegnen: 
- Die medizinische Dimension zeigt ein multiples Feld von Erkrankungsursachen und beeinflussenden Faktoren, von Genetik bis zum Lebensstil, und reicht bei den Therapien von der individuellen Behandlungsstrategie für jeden einzelnen Betroffenen über die Vermeidung der vielfältigen möglichen Folgeerkrankungen bis hin zu Präventionsanstrengungen, um den Tsunami einzudämmen.
- Die soziokulturelle Dimension identifiziert weit verbreitete Verhaltensweisen und Lebensbedingungen, die krank machen. Beispiele sind Armut und Bildungsferne aber auch prägende kulturelle Dogmen, die festlegen was als köstlich und angenehm empfunden wird – ein informelles Regelwerk, dem sich der einzelne kaum entziehen kann. Sie zeigt auf welche sozialen Folgen die Erkrankung für die Betroffenen, deren Umfeld und die gesamte Gesellschaft hat. Sie weist auch darauf hin, wie falsch die steigende Diskriminierung von DiabetikerInnen in unserer Gesellschaft ist, damit der Kampf gegen Diabetes nicht zum Kampf gegen Betroffene wird.
- Die infrastrukturelle Dimension fand bisher am wenigsten Beachtung bei der Betrachtung der Ursachen für die Diabetes-Epidemie. Sie zeigt harte Fakten unseres Lebensraums: Essen ist jederzeit und überall verfügbar, die Verkehrsinfrastruktur ist auf motorisierten Individualverkehr und öffentlichen Nahverkehr ausgerichtet und begünstigt ein entsprechendes Nicht-Bewegungsverhalten – auch kurze Strecken werden mit motorisierten Verkehrsmitteln zurückgelegt, die Distanzen zwischen Haltestellen sind kurz, Aufzüge und Rolltreppen sind in Städten allgegenwärtig. Dazu kommt die flächendeckende Temperaturregulierung in Gebäuden, die ein „Arbeiten“ des menschlichen Kreislaufsystems überflüssig macht.
Die  Begleitung von Menschen mit Diabetes ist eine Investition in die Zukunft
    Diabetes birgt die Gefahr vieler unterschiedlichster   Folgeerkrankungen  und erfordert von den PatientInnen ein hohes Maß an   positiver Motivation, um an  den therapeutischen Empfehlungen   festzuhalten. Eine erfolgreiche Therapie geht weit  über die Einnahme   von Tabletten hinaus und betrifft eine Vielzahl von  persönlichen   Lebensbereichen. Die Ernährungsumstellung und die Notwendigkeit  mehr   Bewegung in den Alltag zu integrieren sind große Herausforderungen für    jeden Betroffenen und sein soziales Umfeld, aber sie tragen maßgeblich   zum  Therapieerfolg bei. Somit ist jede Investition in die Betreuung von    DiabetespatientInnen eine gute Investition. 
    Das erste und bisher einzige Disease Management Programm   in Österreich  ist „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“. Es stellt eine   wichtige Versorgungsbasis  für Menschen mit Diabetes durch ihre   Hausärzte dar und hilft mit Struktur und  einem umfassenden   Informationsangebot, besser mit der Krankheit umzugehen. Aber  es ist   auch entscheidend die Versorgungsstrukturen weiter zu denken. Denn wenn    der Diabetes entgleist, stehen viel zu wenige SpezialistInnen und   Ambulanzen  zur Verfügung, um mit der immer größer werdenden Zahl an   DiabetikerInnen auf  einer individuellen Behandlungsebene umzugehen.
Österreich  leidet an „Diabesity“
    Übergewicht und Fettleibigkeit sowie Bewegungsmangel   fördern die  Entstehung des Typ-2-Diabetes. Durch den engen Zusammenhang   zwischen Diabetes  und Adipositas, spricht man von „Diabesity“ einer   Zusammensetzung der Worte  Diabetes und Obesity (engl. für   Fettleibigkeit). 90 % der Diabetes-Erkrankten  sind Typ-2-Diabetiker.   50–60 % aller Österreicherinnen und Österreicher sind  zumindest   übergewichtig. Dieser Anteil steigt jährlich. 
    Im August 2016 hat die ÖDG zusammen mit der   Österreichischen Adipositas  Gesellschaft das Thema „Diabesity“ bei den   Gesundheitsgesprächen des  Europäischen Forum Alpbach positioniert. Der   duale Ansatz der  „individualisierten Therapie“ und der gleichzeitigen   Notwendigkeit des „Wandels  im Makro-Environment“ tragen dem Umstand   Rechnung, dass Betroffene  maßgeschneiderte Behandlungskonzepte   benötigen, sich aber auch die Gesellschaft  in Richtung einer Diabetes   und Adipositas vorbeugenden Richtung bewegt.  Muskelkraft statt   motorisierter Energie, leichterer und ökonomischerer Zugang  zu gesunden   und attraktiven Lebensmitteln oder Rauchfreiheit im öffentlichen    Bereich sind einige Themen.
Wenn  die Gesellschaft krank macht
    Krankmachende Lebensbedingung kennen wir aus früheren   Zeiten recht gut,  vom Leben in mittelalterlichen Städten über die   gesundheitlichen Folgen der  Industrialisierung bis heute. Nun ist die   viel zu reichhaltige Ernährung und  der gleichzeitige Bewegungsmangel   zum Hauptthema geworden. Die ständige  Verfügbarkeit von zu   energiereichen Nahrungsmitteln findet ihren Kristallisationspunkt  in   der Fastfood- und Snack-Kultur. Unsere Städte laden zu wenig zum   Zu-Fuß-Gehen  und Radfahren und zu viel zur Auto-, Bus- und   Fahrstuhlverwendung ein. Steuern  und Warnhinweise können hier genauso   wirken, wie neue Ansätze in der  Stadtplanung und Architektur. Bedeutsam   ist, dass ein positiver Zusammenhang  zwischen gesundheitsförderndem   Verhalten und Genuss in unserer Gesellschaft erlebbar  wird. Es geht   darum, dass gutes Essen neu definiert wird und Bewegung von    Kindesbeinen an bis ins hohe Alter positiv besetzt sein sollte.
    Petra Jens, Fußgängerbeauftragte der Stadt Wien, zeigt   auf, wie Marketing  und Kommunikation zum Radfahren und Zu-Fuß-Gehen   motiviert: „Der erste Schritt  zur Diabetesprävention ist tatsächlich   ein Schritt: Zu-Fuß-Gehen im Alltag ist  denkbar einfach und die beste   Medizin. Die Mobilitätsagentur Wien schafft mit  Kampagnen,   Veranstaltungen und Services ein positives Bild aktiver Mobilität.  So   werden zum Beispiel kostenfreie Fußwegekarten,  Radfahrkurse und Apps    angeboten, die fürs Radfahren und Zu-Fuß-Gehen begeistern. Denn wer   heute nicht  in Radfahren und Zu-Fuß-Gehen investiert, lässt   buchstäblich Geld auf der  Straße liegen.“ 
Eine  Frage des Lebensstils darf keine Schuldzuweisung sein
    ÖDG Präsident Toplak betont abschließend: „An diesen   Beispielen kann man  erkennen, welche vielfältigen Faktoren und   gesellschaftlichen Zusammenhänge die  Erkrankung begünstigen, und daher   möchte ich am Weltdiabetestag auch auf das  Thema der Diskriminierung   von Menschen mit Diabetes hinweisen und alle dazu  aufrufen, gemeinsam   an einer gesunden Gesellschaft für uns und die folgenden  Generationen   zu arbeiten, ohne diejenigen auszugrenzen, die bereits an den  Folgen   dieses Tsunami leiden.“
Österreichische  Diabetes Gesellschaft (ÖDG)
    Die  Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG)   ist die ärztlich-wissenschaftliche  Fachgesellschaft der   österreichischen Diabetes-Experten und  Diabetes-Expertinnen.   Ordentliche Mitglieder der Gesellschaft sind Ärzte und  Ärztinnen und   wissenschaftlich einschlägig orientierte Akademiker und    Akademikerinnen. Assoziierte Mitglieder sind Diabetesberater und    Diabetesberaterinnen und Diätologen und Diätologinnen. Die   Österreichische  Diabetes Gesellschaft sieht es als ihre Aufgabe, die   Gesundheit und  Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu   verbessern. Sie setzt sich  daher für die Anliegen der Betroffenen ein.   Sie fordert und fördert die stetige  Verbesserung der Versorgung von   Menschen mit Diabetes mellitus. Sie unterstützt  die Forschung und   verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse aller den Diabetes    berührenden Fachgebiete sowohl zur Verbesserung der medizinischen   Betreuung als  auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen.
  
Rückfragehinweis:
    Public Health PR
    Mag. Michael Leitner, MAS
    Tel.: 01/60 20 530/91
    Mail: michael.leitner@publichealth.at 
    Web: www.publichealth.at
Pressefotos zum Download:
  
   
    Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, Medizinische Universität Graz, Universitätsklinik für Innere Medizin, Ambulanz für Lipidstoffwechsel und Präsident der ÖDG
    © Wustinger

    OA Dr. Helmut Brath, Diabetesambulanz des GZ Süd der Wiener Gebietskrankenkasse und Erster Sekretär der ÖDG
    Copyright: privat

    OA Dr. Helmut Brath, Diabetesambulanz des GZ Süd der Wiener Gebietskrankenkasse und Erster Sekretär der ÖDG
    Copyright: privat













